Es gab einen kurzen Zeitraum, in der die Stadt Küstrin und deren Wirtschaft noch von dem Krieg profitierten, der ihr 1945 den Untergang bringen sollte. Diese Zeit begann im Jahre 1935 mit der Wiederaufrüstung im Deutschen Reich, in Küstrin speziell dem Neu- und Ausbau diverser Kasernen und dem Aufbau der Zellwolle- und Zellulosefabrik. Die in den folgenden Jahren neu in der Stadt stationierten militärischen Einheiten führten mit zu dem wirtschaftlichen Aufschwung in der Stadt, den sich die seit dem Ende des ersten Weltkriegs leidende Küstriner Wirtschaft so sehr erhofft hatte. Einen Bauboom hatte es in Küstrin aber bereits seit Anfang der 1930er Jahre gegeben.

Während des 2. Weltkriegs wurden Rohstoffe rationiert und nur noch an Betriebe geliefert, die als kriegswichtig eingestuft wurden. Wer als Betriebsinhaber oder -leiter nicht nachweisen konnte, daß der eigene Betrieb kriegswichtig war, lief also in Gefahr seinen Betrieb einstellen zu müssen. Es gab - wie überall - neben denjenigen, die notgedrungen ihre Produktion umstellten, aber auch die, die freiwillig - entweder aus finanziellen oder auch idiologischen Gründen - vom Krieg profitieren wollten. Die Gründe, die den Entscheidungen der Küstriner Unternehmer zugrunde lagen, lassen sich heute nicht mehr nachvollziehen. Welches Unternehmen welche kriegswichtigen Produkte produzierte, diese Angaben sind meist nur durch (niedergeschriebene) Erinnerungen von Zeitzeugen überliefert, die hier aufgestellte Liste ist nur ein Anfang.

Zwangsarbeiterlager in Küstrin

  • Zwangsarbeiterlager für Juden in Küstrin(-Neustadt) (Standort unbekannt;  Ende 1940 bis Ende Dezember 1941: Arbeiten an der Reichsautobahn; Januar 1941 bis Ende 1943: Arbeitgeber Zellwolle- und Zellulose AG, AEG, Firma Express)
  • Lager der Zellwolle und Zellulose AG auf deren Firmengelände, Arbeitslager "Fasterweide" (Aussenkommando des KZ Sachsenhausen in Küstrin; 1943 - 1945; Aufbau der Werkes und Arbeit in der Produktion)
  • In der Kutzdorfer Straße (Küstrin-Neustadt) gab es ein "Zivilarbeiterlager" (keine weiteren Daten bekannt)
  • Kriegsgefangenenlager STALAG IIIC in Alt-Drewitz; auch die Internierten des Lagers leisteten in und um Küstrin Zwangsarbeit

Küstriner Unternehmen

Aber nicht nur große Industriebetriebe, sondern auch Handwerksbetriebe und landwirtschaftliche Betriebe konnten Zwangsarbeiter anfordern.

Nach Küstrin verlegte Produktionsstätten

Neben den einheimischen Unternehmen wurden während des Krieges auch auswärtige Firmen nach Küstrin verlegt, da die Front nah an die ursprünglichen Standorte herangerückt war. Man schätzte wohl die Situation in damaligen deutschen Osten noch als sicherer ein, als an der näher rückenden Westfront. Die Firmen produzierten meist Kriegsgüter, so dass sie nicht unter ihrem wahren Namen, sondern unter Tarnnamen operierten. Zu diesen Firmen gehörten u.a. die AEG, die "Firma Express", das "Neumarkwerk" sowie die Udo-Werke GmbH. Die beiden erstgenannten Unternehmen sind als Arbeitstätten für Zwangsarbeiter bekannt, die im Lager Küstrin-Neustadt untergebracht waren. Ob diese Firmen aber auch in Küstrin ansässig waren, oder in der Umgebung, bedarf noch der Klärung. Während über die drei erstgenannten Firmen bisher nichts Näheres bekannt ist, konnte ich zum dritten Unternehmen, der Udo-Werke GmbH schon etwas herausfinden.

Udo-Werke GmbH

Im Laufe des Jahres 1944 wurde die Fertigung von „Korfu“-Funkmessgeräten der Blaupunkt Werke GmbH (einer Bosch-Tochter) nach Küstrin verlagert. Ursprünglich befand sich die Produktion in Berlin-Wilmersdorf. Die Firma wurde nach Udo Werr, einem Vertrauten des damaligen Geschäftsführers der Firma Blaupunkt, Paul Goerz, benannt und erhielt den Tarnnamen „Udo-Werke GmbH“. Schwerpunkt war wohl neben der Produktion auch die Forschung und die Produktion von kleinen Nullserien.

Der Empfänger „Korfu“ von Blaupunkt diente zur Anzeige von britischen H2S-Radarsignalen, welche mittels der von der Deutschen Wehrmacht eingesetzten landgestützten, passiven Funkpeilanlage FuPeil A 100a „Kornax“ eingefangen wurden. Die Anlage hatte eine Reichweite bis Großbritannien.

Udo Werr leitete die Betriebsverlagerung und erhielt schon am 13. Januar 1945 – zu einer Zeit als in Küstrin eigentlich noch Durchhalteparolen galten, die Rote Armee aber schon vor den Toren der Stadt stand – von Albert Speer (Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion) den Befehl, den Betrieb nun in den Westen Deutschlands zu verlagern. Ziel war die Angliederung an die im Hildesheimer Wald angesiedelten Trillke-Werke GmbH, einer Bosch-Tochter, welche Ende der 1930er Jahre im Zuge der Aufrüstung der Wehrmacht gegründet worden war.

Quellen: