Von Gerd-Ulrich Herrmann, Strausberg.
In der Weimarer Republik erschütterten zahlreiche Morde, die von linken und rechten Gruppierungen verübt wurden, ganz Deutschland. Zu ihnen gehören die Verbrechen, die im Namen der Feme innerhalb der Schwarzen Reichswehr1 begangen wurden. Der 27. Reichstagsausschuss "Feme-Organisationen und Fememorde" definierte diese als "Anschläge auf Menschenleben auf Grund des Spruchs einer Organisation oder der Verabredung einzelner ihrer Mitglieder wegen eines von ihnen als verräterisch oder gemeinschädlich angesehenen Verhaltens sowohl gegen Mitglieder und ehemalige Mitglieder als auch gegen Außenstehende".2
Der führende Kopf der Feme in Brandenburg war Oberleutnant Paul Schulz. Als Vollstrecker der Selbstjustiz standen ihm u. a. Erich Klapproth, Hein Büsching und August Hermann Fahlbusch3 zur Seite. Wie viele Menschen ihnen zum Opfer gefallen sind, bleibt wohl für immer ein Geheimnis. „Tatsächlich nachweisen lassen sich acht Morde und zwei Mordversuche. Jedoch wurden darüber hinaus im Zuge der Ermittlungen zu diesen Taten zahlreiche weitere geplante und auch versuchte Morde angesprochen.“4 Eine Dunkelziffer bleibt bestehen, weil die Schwarze Reichswehr sich mit dem Nimbus des Geheimnisvollen umgab und im Zuge ihrer Auflösung zahlreiche Dokumente vernichtete.
Der ehemalige Adjutant von Oberleutnant Schulz, Vizefeldwebel Carl Mertens, beschrieb einen Fememord aus der Anfangszeit der Schwarzen Reichswehr, der sich im Fort Gorgast zugetragen haben soll: „Schulz ließ uns alle auf einen Degen schwören. Es war Nacht. Mondschein legte über die alten Mauern des Forts einen feierlichen Glanz. Wir waren zu sechs. Da merkten wir, dass wir belauscht wurden. Nach einer Jagd durch die dunklen Gänge und Winkel erwischten wir den Beobachter. Er wurde niedergeschossen und verscharrt. Dann wurde auf dem Grabe des Opfers der Schwur auf den Degen [von] Schulz wiederholt ... Es war eine erhabene Stunde: auf dem Grabe des Verräters der Treueide dem Führer.“5
Während einer Offiziersbesprechung erfuhr Schulz, dass drei Männer im Fort Säpzig den Eid zur Treue verweigerten und geflohen waren. Einen von ihnen griff der dortige Gastwirt auf und informierte die Festungskommandantur. Der Oberleutnant äußerste sich unmissverständlich: „Dieser Mensch muss sofort unschädlich gemacht werden, damit ähnliche Vorfälle in Zukunft vermieden werden.“ Was dann auch geschah, so der Zeuge Wilhelm von Albrecht, der von März bis Juni 1923 als Fähnrich in Gorgast Dienst tat.6
Die nachfolgenden Verbrechen, die vor dem Schwurgericht Landsberg a. d. Warthe verhandelt und „geahndet“ wurden, zeigen die Selbstherrlichkeit und Brutalität der Fememörder. Die Darstellungen stützen sich auf die kriminalistischen Untersuchungen und die Aussagen der Täter und Zeugen vor Gericht. Die Männer widersprachen sich allerdings häufig, widerriefen ihre Äußerungen, stellten andere Aussagen als Lüge dar oder leisteten einen Meineid. Schon allein aus dieser Tatsache heraus konnten nicht alle Verbrechen bis ins Detail geklärt werden.
Der Gröschke Mord
Oberleutnant Reinhold Raphael, eine Schlüsselfigur während des Küstriner Putsches und von einem Offizier als „üble Abenteuernatur“ bezeichnet, hatte sich im Lager Jüterbog an Heereseigentum vergangen. Seine Entlassung, die Major Buchrucker während einer Besprechung im Kurhaus Buckow verfügte, verhinderte offensichtlich Oberleutnant Schulz, denn der Beschuldigte erhielt das Kommando über die erste Kompanie im Fort Gorgast.
Im Juni 1923 wurde der Frankfurter Gelegenheitsarbeiter Paul Gröschke der Kompanie Raphael zugeteilt. Dort geriet er nach seinen Äußerungen, Verbindungen zu den Frankfurter Kommunisten zu haben, in den Verdacht ein Spitzel zu sein. Nach einer Prügelattacke seiner Kameraden im Wachgebäude des Forts, wurde Raphael herbeigerufen. Er ließ den Geschundenen, angeblich zu seinem „eigenen Schutz“, in eine Arrestzelle bringen. Dort verhörte am folgenden Tag der Kompanieführer im Beisein weiterer Unterstellter den Arretierten, um Informationen über die Frankfurter Kommunisten und ihre Waffenlager zu erhalten.7
Nachdem Oberleutnant Schulz im Küstriner Zeughaus die unter schweren Misshandlungen erpressten „Aussagen“ erhielt, trat die Feme in Aktion. Büsching begab sich unverzüglich, unter dem Vorwand die Mannschaften in der Selbstverteidigung auszubilden, nach Gorgast. Sein eigentlicher Auftrag, das stellte die Oberstaatsanwaltschaft später zu Recht fest, lautete allerdings: gemeinsam mit Klapproth den „kommunistischen Spitzel … umzulegen“. Das Mordkommando vervollständigte der aus Frankfurt (Oder) eintreffende Oberfähnrich Kurt Glaser. Aus Berlin kamen Willy Klapproth, Bruder von Erich Klapproth, und Kurt Vogel. Die Beiden sollten in der kommenden Nacht vor der Arrestzelle Posten beziehen, um den „Verurteilten“ unbemerkt verschleppen zu können. Gegen Mittag des 21. Juni 1923 verhörte Büsching nochmals den ahnungslosen Totgeweihten und es wurden die letzten Vorbereitungen für den Mord getroffen. Nach 22.00 Uhr verließ ein voll besetzter Pkw das Fort und fuhr mit dem „Verurteilten“ über die Oder. Vor Zorndorf fielen zwei Schüsse. Da Gröschke noch lebte, stieß der Todesschütze Büsching ein Messer in den Kopf des Opfers. Nachdem Klapproth den Wagen nahe der Ortschaft Quartschen stoppte, verscharrten Büsching und Glaser den Toten in einer Schonung. Das Auffinden des blutbefleckten Mantels durch zwei Arbeiter, führte am nächsten Morgen zum Auffinden der Leiche.
Wenige Tage nach dem Küstriner Putsch erfolgte die erste Vernehmung Raphaels durch den Untersuchungsrichter des Landsberger Landgerichtes. Die Ermittlungen wurden jedoch eingestellt, da er unter Eid versicherte, dass Gröschke schwimmend durch den Wassergraben geflohen sei. Auch während der Gerichtsverhandlung wiesen die Beteiligten alle Schuld von sich. Das Gericht verurteilte im Herbst 1926 Oberleutnant Raphael wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, Meineids und Beihilfe zum Mord zu acht Jahren und Glaser zu drei Jahren Zuchthaus. Weitere Täter und Mitwisser erhielten mehrmonatige Gefängnisstrafen oder wurden frei gesprochen. Auch Schulz8 blieb unbehelligt, obwohl der Richter seine moralische Mitschuld feststellte. Die Haupttäter Büsching und Klapproth entzogen sich der Strafe durch Flucht9. Klapproth jedoch wurde später gefasst10 und wegen Beihilfe zum Mord zu 15 Jahren verurteilt.
Munitionsdiebstahl von Küstrin
Als Anfang Mai 1923 ein Munitionstransport nach Stettin bevorstand, nutzten Feldwebel Gaedicke, Leutnant Janke und Oberfeuerwerker Balke die Möglichkeit, ihre eigenen Finanzen aufzubessern. Balke, der das Beladen der Fahrzeuge am Zeughaus beaufsichtigte, ließ zusätzlich 15 Kisten mit Infanteriemunition aufladen. Janke, der an der Oderablage das Beladen des Schiffs kontrollierte, ließ diese in einem Speicher verstecken, um sie später beim Arbeiter Friedrich in Manschnow einlagern zu können.
Friedrich und der Bäcker Jahn versuchten die 20 000 Patronen in der näheren Umgebung zu veräußern. Als dies scheiterte, fuhren Gaedicke und Jahn nach Berlin, um die „Ware“ in der kommunistischen Druckerei in der Münzstraße zu veräußern. Da auch dies misslang, wandte sich Gaedicke an den Küstriner Altwarenhändler Karl Zickelbein, der allerdings die geforderte Summe nicht aufbringen konnte. Das „Geschäft“ besiegelte schließlich der Inhaber der „Handelsgesellschaft Produkten-, Schnitt- und Kurzwarenhandlung Zickelbein & Söhne“ mit dem Firmensitz Lange Vorstadt 65. Die Freude der drei Kriminellen über die 2,63 Millionen Papiermark (etwa 140,00 Goldmark) währte jedoch nicht lange. Nachdem Friedrich dem Manschnower Landjäger Gerlach den Diebstahl meldete, erfolgten am 15. Juni 1923 die Beschlagnahme der Munition und die Information an das zuständige Küstriner Amtsgericht.
Nachdem der Festungskommandant Oberst Erich Gudowius vom Vorkommnis erfuhr, begann sein Adjutant Hauptmann Linge unverzüglich mit den Untersuchungen. Die Vernehmung von Gaedicke fand am 16. Juni 1923 im Fort Säpzig und die seiner Komplizen in Küstrin statt. Noch am gleiche Tag wurden Schulz, Klapproth und Büsching, die sich gerade in Küstrin aufhielten, über den Stand der Ermittlungen unterrichtet. Der ahnungslose Führer der Minenwerferkompanie, Leutnant Dabkowski, erhielt fernmündlich den Befehl, gemeinsam mit Gaedicke in das nahe Fort Tschernow zu fahren. Dort warteten sie Cognac trinkend auf weitere Befehle. Nach dem Eintreffen von Klapproth und Leutnant Hayn11 betraten sie zu viert, unter dem Vorwand geplante Quartiere zu besichtigen, die Kasematten.
Klapproth, der als letzter die Räume betrat und hinter Gaedicke ging, streckte den Munitionsdieb durch zwei Schläge mit einem unter einer Zeltbahn verborgenen Totschläger nieder. Nur mit Mühe konnten Hayn und Dabkowski den Schläger von weiteren Handgreiflichkeiten abhalten. In der Zwischenzeit erreichte Leutnant Knüppel aus Säpzig kommend den Tatort und nahm dem Schwerverletzten12 seinen Degen ab. Zu fünft fuhren sie nach Küstrin und stellten das Fahrzeug im Zeughof ab. Erst nach Anbruch der Dunkelheit brachte Knüppel den Unteroffizier in die Wache der Fahrabteilung, wo er die erste medizinische Versorgung erhielt. Am 19. Juni erfolgte auf Anordnung des Festungskommandanten die Auslieferung Gaedickes an das Amtsgericht Küstrin. Hier übernahm der Sanitätsrat Dr. Siegfried Weinbaum, der als Gefängnisarzt und in der Berliner Straße 14 praktizierte, seine weitere Behandlung
Hayn belastete während der ersten Vernehmung Oberleutnant Schulz schwer. Er soll sich gegenüber dem Leutnant geäußert haben: Gaedicke müsse „verschwinden“. Während der Hauptverhandlung am 8. November 1926 widerrief Hayn allerdings seine Aussage. Unter den Angeklagten befanden sich auch Schulz und Klapproth. Der Zeuge Feldmann belastete einen der Angeklagten schwer: „Klapproth war … gefürchtet als derjenige, der die sogenannten Spitzel beseitigte. Unter dem Namen Spitzel wurden allgemein diejenigen in der Truppe bezeichnet, die sich Geld machten, indem sie Heeresgut verkauften … [Er sagte] zu mir: ‚Hüten Dich, daß Du nicht unter die Spitzel kommst … zwei Schüsse in den Hinterkopf würden genügen“.13 Vor Gericht beteuerte Klapproth, dass er den Munitionsschieber Gaedicke, der als Nebenkläger anwesend war, aus Wut und im Affekt „nur anständig verhauen“ habe und das jederzeit wieder tun würde.
Oberstaatsanwalt Rohrlack forderte für Schulz sieben Jahre und für Klapproth fünf Jahre Zuchthaus sowie für Hayn ein Jahr und sieben Monate Gefängnis. Das Urteil des Gerichtes überraschte wohl alle Prozessbeobachter: Freispruch für Schulz und Hayn. Klapproth, den der Richter als „eine brave, gerade, ehrliche Soldatennatur“ bezeichnete, erhielt wegen Körperverletzung ein Jahr Gefängnis.
Auch Janke, wurde Opfer der Feme. Während seiner Vernehmung durch Schulz stürzten sich Klapproth und Büsching auf den Offizier. Der Oberleutnant hielt die Beiden jedoch zurück. Schulz nahm dem Offizier den Degen, den Offiziersmantel und die Achselstücken ab und ließ den „Degradierte“ in die Arreststube einsperren. Den Mord sollten der in der Waffenwerkstatt beschäftigte Feldwebel Thom und Fähnrich Buchholz ausführen. Später sagte der Feldwebel aus, dass der Tipp für den geplanten Giftmord von seinem „Freund Klapproth“ stammte. Tom übergab das vom Drogisten Rathsmann beschaffte Arsenik dem Gefreiten Zinter. Da Zintner nur eine kleine Giftmenge in das Essen von Janke rührte, überlebte dieser den Anschlag. Der wutentbrannte Thom verlangte nun vom Drogisten, unter vorgehaltener Pistole, ein stärkeres Mittel. Zur Einheit zurückgekommen übergab er dem Gefreiten ein größeres Stück Zyankali. Zintner, der seinen ehemaligen Vorgesetzten weiterhin schützen wollte, gewann mit der Bemerkung, dass das Auflösen des Giftes einen Tag dauern würde, Zeit. Erbost begab sich Tom in die Arreststube und legte unmissverständlich vor den Augen Jankes einen Strick auf den Tisch.
Am nächsten Tag erfolgte jedoch die Rettung des Munitionsdiebes, da er auf Anordnung des Festungskommandanten dem Amtsgericht Küstrin zugeführt wurde. Er und Gaedicke erhielten wegen Diebstahl eine fünfmonatige Gefängnisstrafe. Die Manschnower Friedrich und Jahn sowie der Küstriner Zickelbein kamen ebenfalls ins Gefängnis. Balke wurde nur als Mitläufer eingestuft und nach Säpzig versetzt. Nachdem sich die Vorgesetzten gegenüber Balke äußerten – „… er wisse ja, was er zu tun habe“ – erschoss er sich in der Nacht zum 9. Juli 1923.14
Während des Prozesses „Janke“ am 25. Oktober 1926 war nur Rathsmann geständig. Für ihn und die Mitangeklagten Thom und Buchholz forderte die Staatsanwaltschaft einen Schuldspruch wegen versuchten Mordes. Die Richter verurteilten Thom, den sie als einen „hysterischen Psychopath“ bezeichneten, nur wegen versuchten Totschlages im „Erregungszustand“ zu zwei Jahren Gefängnis. Rathsmann erhielt wegen Beihilfe zwei Jahre Zuchthaus und Buchholz einen Monat Gefängnis.
Mord im Warthebruch
Unteroffizier Alfred Brauer15 ist das letze, bekannt gewordene Mordopfer der Feme in Küstrin. Brauer war, nach Aussagen von Leutnant Knüppel „ein durch und durch nationalgesinnter Mann“ und beliebt.16 Als er Ende Juli 1923 ins Zeughaus kommandiert wurde, versuchte er in den Besitz von Pistolen zu kommen, um sich gemeinsam mit seinen Kameraden bei eventuellen Auseinandersetzungen mit den Kommunisten zur Wehr setzen zu können. Die Übernahme von mindestens sechs Pistolen scheiterte, weil im Moment der Aushändigung der Bataillonsführer Major Hertzer die Waffenkammer betrat. Die Gründe seiner Ermordung wurden nie endgültig geklärt. Angeblich soll er „in schwerster Form die Ziele seiner Abteilung sabotiert [haben], indem er heimlich Geschoßteile von den mühsam geretteten und geborgenen Geschützen in die Oder geworfen“ haben soll.17 Auch die Vermutung Hertzers, dass Brauer Verbindungen zu den Kommunisten hatte, konnte nicht beweisen werden.
Fakt ist, dass Brauer am 2. August 1923 nach einem zweitägigen Urlaub aus seinem Heimatort Frankfurt (Oder) nach Küstrin zurückkehrte und seine Uniform dem Soldaten Heinrich zur Aufbewahrung übergab. Ihm vertraute er an, dass er einen Brief erhalten habe und deshalb für zwei weitere Tage verschwinden müsse. Zeugen sagten vor Gericht aus, dass Brauer noch am selben Abend mit Fahlbusch und dem Kraftfahrer Kowalewski in Küstrin gesehen wurde. Zu Dritt fuhren sie nach Säpzig und kehrte in der dortigen Gastwirtschaft Weitzel ein, wo sie mit weiteren Kameraden ausgiebig zechten. Anschließend suchten die Drei noch das Tschernower Gasthaus Grunzke auf. In einem Vieraugengespräch äußerte sich Fahlbusch gegenüber Kowalewski: „Brauer sei ein Schweinehund, der alles verraten hätte, aus diesem Grund käme auch die Kontrollkommission der Entente jetzt so oft nach Küstrin, er habe Brauer schon längst aufs Korn genommen, der müsse weg…“18
Auf der Rückfahrt nach Küstrin tötete Fallbusch Unteroffizier Brauer durch Schläge mit einem stumpfen, kantigen Gegenstand auf den Kopf und versenkte die Leiche in einem Wassergraben im Warthebruch. Kowalewski bemerkte auf Höhe des Bahnhofs Kietzerbusch, dass nicht nur das inzwischen von Fahlbusch grob gereinigte Trittbrett, sondern auch der Innenraum voller Blut war. Am nächsten Tag reinigte der Mörder das Fahrzeug „gründlich“. Die Leiche entdeckten Angler am 12. August 1923 nahe der Chaussee Küstrin-Sonnenburg.
Angeklagt wurde wegen Mittäterschaft nur der 24-jährige Kowalewski. Die Strafe für Kowalewski lautete sechs Jahre Zuchthaus sowie fünf Jahre Ehrenverlust. Wie alle Femeverurteilte wurde auch er am 24. Oktober 1933 amnestiert und zu politisch Verfolgten sowie „Helden der Nation“ erklärt.19 Fahlbusch blieb vorläufig ungeschoren, da er sich nach Südamerika abgesetzt hatte. Als er in Nebraska gegen das Prohibitionsgesetz verstieß, erfolgte 1929 die Auslieferung des Alkoholschmugglers an Deutschland. Während der Vernehmung gestand er, dass Schulz den Tötungsbefehl gegeben hatte und Kowalewski mit dem Mordauto nach Berlin fuhr, um den Vollzug des Befehls zu melden. Ende 1930 wurde Fahlbusch aus der Haft entlassen. Nach einer ausgiebigen Feier wurde er am Morgen des 14. Januar 1931 auf einem Schiff tot aufgefunden. „Er war an ‚ausströmenden Gasen‘ gestorben … Bei der Einäscherung Fahlbuschs marschieren Stahlhelm- und SA-Leute im Schmuck ihrer Embleme auf.“20
Fazit
Die Feme stellt sich auf den ersten Blick als Verbrechen von Kriminellen an „zwiespältigen Gestalten“ dar. Auf jeden Fall schuf sie in der Schwarzen Reichswehr ein Klima des Misstrauens, der Bespitzlung und der Angst. Trotz mehrerer Gerichtsurteile und parlamentarischer Untersuchungsausschüsse blieben die politischen Hintergründe vorerst verborgen. Ein Versuch die wahren Ursachen aufzudecken, scheiterte während des Gaedicke-Prozesses. Die Anträge der Nebenklage, den preußischen Innenminister Geßler, den ehemaligen Chef des Stabes der 3. Division und in Küstrin geborenen Oberst Bock, den Chef der Heeresleitung Generaloberst Seeckt und weitere Zeugen zu laden, schmetterte das Gericht ab. Das lässt die Feststellung zu, dass „zumindest einzelne Richter verschiedenen Angeklagten gegenüber ausgesprochen wohlgesonnen waren.“21 So verpuffte auch der Verweis der ersten Strafkammer des Landsberger Schwurgerichtes, „dass die Fememorde zur Sicherung des geplanten und bereits vorbereiteten Hochverrates verübt wurden.“22
Selbst nach der Verurteilung der Täter und Mitwisser versuchten Prozessbeteiligte und Medien ihre Unschuld zu beteuern, da sie angeblich aus „edlen Motiven“ handelten, um das Vaterland vor äußeren und inneren (kommunistischen) Feinden zu schützen. Rechtsanwalt Walter Luetgebrune, selbst Verteidiger von Rechtsextremisten und während des Röhm-Putsches verhafteter SA-Führer; behauptete sogar: „Der Rechtfertigung oder doch allermindestens der Entschuldigung der Taten hätte die eingehende Prüfung nach dem Notwehrrecht, dem Nothilferecht zu führen müssen. Wäre man in einem einzelnen Fall zu dem Ergebnis gekommen, daß der Angriff [gegen die Schwarze Reichswehr, d. A.] noch nicht gegenwärtig war, daß hier ein geringeres Abwehrmittel genützt hätte, dann hätte die Prüfung einzusetzen gehabt, ob die Täter nicht doch wenigstens guten Glauben gewesen sind.“23 Ganz in diesem Sinne wurden alle Todesurteile am 27. Januar 1928 zu Haftstrafen ausgesetzt. Ende 1930 erfolgte schließlich die Amnestierung aller Verurteilten. Es verwundert nicht, dass viele von ihnen in der NSDAP und in ihren Organisationen eine nahtlose politische Karriere starteten.
Das Wesen der Feme innerhalb der Schwarzen Reichswehr bestand nicht in den kriminellen Handlungen an „vermeintlichen Verrätern und Tätern“, für die es keine militärischen und formalrechtlichen Gründe gab. Die Morde fanden in einer illegalen paramilitärischen Formation statt, in der ein gegen den Versailler Friedensvertrag gerichteter Fanatismus herrschte. Die Führung sah ihre Mission nicht im Schutz der Weimarer Republik, sondern plante gemeinsam mit anderen rechtsextremen Formationen einen „Marsch auf Berlin“ und die Errichtung einer Militärdiktatur. Da die Vorbereitung des Staatsstreichs unter strengster Geheimhaltung erfolgen musste, hatte die Feme, als Druck- und Disziplinierungsmittel, zur Realisierung von politischen hochverräterischen Zielen beizutragen. So hätte die Rechtssprechung in den Femeprozessen im Kontext des Strafstandbestandes „Hochverrat“ erfolgen müssen.
Literatur:
Sauer, B., Schwarze Reichswehr und Fememorde, Metropol Verlag, 2004
Grimm, F., Oberleutnant Schulz. Femeprozesse und Schwarze Reichswehr, Essen 1929
Luetgebrune, W., Wahrheit und Recht für Feme, Schwarze Reichswehr und Oberleutnant Schulz, München 1928
Erstveröffentlichung im Märkisch-Oderland Jahrbuch.
Quellen:
1 Siehe: Herrmann, G.-U., Der Küstriner Putsch, in: Märkisch-Oderland Jahrbuch 2016, Seite 16-22.
2 Denkschrift des Reichsministers des Inneren an den Untersuchungsausschuss des Reichstages für Femeorganisationen vom 26. Februar 1926, Seite 2.
3 Vom März bis Oktober 1923 waren Feldwebel Klapproth der Führer der Motorradabteilung, Vizefeldwebel Fahlbusch Angehöriger einer Spandauer Kompanie und Vizefeldwebel Büsching Sportlehrer in der schweren Döberitzer Kompanie. Alle Angehörigen der Schwarzen Reichswehr trugen einen Dienstgrad mit dem Zusatz „a. D.“.
4 Sauer, B., Schwarze Reichswehr und Fememorde, Metropol Verlag, 2004, Seite 126.f
5 Mertens, C., Verschwörer und Fememörder, Weltbühne 1926, Seite 27. Zitiert nach: Scheer, M., Blut und Ehre, Editions du Carrefour, Paris 1937, Seite 65. Mertens, Angehöriger der Schwarzen Reichswehr in Frankfurt und Insider der Verhältnisse, war kein Zeuge des Ereignisses, das auch nie vor Gericht zur Sprache kam.
6 Aussage von Wilhelm von Albrecht vor dem Sonderdezernat der Berliner Politischen Polizei vom 29.12.1925. Vgl.: Sauer, B. a. a. O., Seite148.
7 Für eine Verbindung des Ermordeten zu einer kommunistischen Organisation ergaben die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft keine Anhaltspunkte. Eine Obduktion der Leiche wies erhebliche Verletzungen am Kopf und Striemen am gesamten Körper auf.
8 Am 30. März 1925 wurde Schulz verhaftet. Das Schwurgericht Berlin III verurteilte ihn am 26. März 1927 wegen „Anstiftung zum gemeinschaftlichen Morde“ an Feldwebel Wilm zum Tode. Das Todesurteil wurde schließlich zu einer Haftstrafe umgewandelt. Im Frühjahr 1930 kam er gegen Kaution frei und im Oktober 1930 erfolgte die vollständige Begnadigung. 1931 war Schulz Oberster SA-Führer Ost, Vertrauter von Georg Strasser und neben Ernst Röhm der aussichtsreichste Anwärter auf den Posten des Stabschefs der SA. Während des „Röhm-Putsches“ überlebte er einen Mordversuch nur knapp und floh in die Schweiz. Nach dem Krieg war er als Unternehmer tätig und stellte sich als Opfer des Nationalsozialismus dar.
9 Für die Flucht stellte Gutsbesitzer Wilhelm von Oppen-Tornow (1882-1938) insgesamt 6500 Mark zur Verfügung. Das Küstriner Schöffengericht verurteilte den Verbindungsmann zwischen der Schwarzen Reichswehr und dem reaktionären Landbund wegen Begünstigung zu 1000,00 Mark Geldstrafe.
10 Die Flucht von Klapproth nach Südamerika misslang, da er wegen Zechprellerei an der holländischen Grenze festgenommen und den Gerichten überstellt wurde. Später war Klapproth Sturmbannführer der SA und NSDAP-Kreisleiter.
11 Hans Hayn war Führer der 4. Kompanie, die im Fort Säpzig lag. 1919 aus dem Heeresdienst entlassen, beteiligte er sich innerhalb der Freikorps. 1931 Stabschef der SA in Schlesien. 1933 Führer der SA in Sachsen und im Zusammenhang mit dem Röhm-Putsch erschossen.
12 Die Verletzungen von Gaedicke waren erheblich: Bruch des Jochbeins, eine Schiefstellung des rechten Auges. Siehe Sauer, B. a. a. O., Seite 197.
13 Zitiert nach: Sauer, B., a. a. O., Seite 180f.
14 Aussage Fritz Fuhrmann vor dem Schwurgericht, vgl. Sauer, B., a. a. O., Seite 179. Fuhrmann war in Säpzig Dentist.
15 Brauer war Kriegsteilnehmer, Angehöriger des Freikorps Roßbach und frühes Mitglied der NSDAP. Er trat die Nachfolge von Leutnant Janke im Zeughof an und und wurde später mit seiner Einheit in das Fort Gorgast verlegt.
16 Vgl.: Sauer, B., a. a. O., Seite 192.
17 Luetgebrune, W., Wahrheit und Recht für Feme, Schwarze Reichswehr und Oberleutnant Schulz, München 1928, Seite 47. Dieser Vorwurf wurde vor Gericht nicht geäußert.
18 Luetgebrune, W., a. a. O., Seite 48.
19 Sauer, B., a. a. O., Seite 18.
20 Scheer, M., a. a. O., Seite 66.
21 Sauer, B., a. a. O., Seite 320.
22 Beschluss der Landsberger Strafkammer vom 3. März 1926. Zitiert nach: Sauer, B., a. a. O., Seite 147. Das Gericht bezieht sich dabei auf das Urteil des Cottbuser Gerichtes, das den Küstriner Putsch als hochverräterisches Unternehmen bezeichnet.
23 Luetgebrune, W., Wahrheit und Recht für Feme, Schwarze Reichswehr und Oberleutnant Schulz, München 1928, Seite 77.