Mehrere Mitglieder einer Familie Pritzel - alles Garnweber - sind bereits ab 1703 im Bürgerbuch der Stadt Küstrin nachweisbar. Diese bekannte Wagenfabrik aus Küstrin-Altstadt wurde als "Wagenfabrik C. Pritzel" aber erst im Jahre 1866 von Carl Pritzel gegründet, ab 1883 wird sie in den Adressbüchern als Firma "C. A. Pritzel" genannt. Deren Eigentümer war Carl August Pritzel. Ob Carl und Carl August Pritzel ein und die selbe Person sind, konnte noch nicht ermittelt werden. Die Eintragung ins Handelsregister Küstrin erfolgte aber erst am 8. April 1890, wahrscheinlich war sie vorher einfach zu klein. Ihr Sitz war in der Schulstraße 56/57 in einem der Hinterhäuser zwischen den Wohnhäusern an der Schulstraße und den östlichen Wallanlagen der Festung Cüstrin. Vereinzelt wird die Firma in den vorliegenden Gewerbe-Adressbüchern auch als Stellmacherei bezeichnet.
Um die Jahrhundertwende herum wurde die Firma in eine offene Handelsgesellschaft umgewandelt, deren Eigentümer waren, nachweisbar ab 1913, Kurt und Felix Pritzel (Sattler, * 21.10.1875). Beide waren allerdings vorher schon als Prokuristen in der Firma tätig, Kurt seit 1901 und Felix mindestens seit 1905. Felix Pritzel war auch Mitglied der Küstriner Freimaurerloge. Ab etwa 1905 lautete die Adresse der Firma "Schulstraße 53/57", das Firmengelände war also wesentlich vergrößert worden.
Anfangs beschäftigte man sich nur mit dem Bau und der Reparatur von Pferdewagen (Kutschen). Besonders erfolgreich waren wohl die Luxuswagen der Firma, welche ins gesamte Deutsche Reich geliefert, aber auch nach Polen und ins Baltikum exportiert wurden. Sie wurden auf diversen Austellungen mit Preisen prämiert. Die Wagenfabrik C. A. Pritzel beschäftigte bis zu 50 Mitarbeiter.
Leider fehlt die erste Seite des Schreibens, ein Foto und der im Schreiben genannte Katalog. Und nein, der Kunde hat nicht wie gewünscht, die Fotos zurückgeschickt - zu meinem Glück :).
Mit dem Aufkommen der Automobile bot die Firma C. A. Pritzel auch Reparaturdienstleistungen und Betriebsstoffe für selbige an. Allerdings geriet die Firma zu Beginn der 1930er Jahre in wirtschaftliche Schieflage, so dass am 10. März 1931 ein Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses eröffnet werden musste. Anfang April des gleichen Jahres wurde das Verfahren erfolgreich beendet. Die wirtschaftliche Lage besserte sich aber scheinbar nicht, denn am 18. Januar des Folgejahres musste Konkurs angemeldet werden - dieses Verfahren zog sich bis November 1934 hin. Am 16. Juni 1936 wurde die Firma schließlich aus dem Handelsregister gelöscht.
Autohaus Pritzel Inh. Karl Pritzel
Während des Konkursverfahrens der Firma "C. A. Pritzel" wurde am 29. Oktober 1932 die vom Technischen Kaufmann Karl Pritzel gegründete Firma "Autohaus Pritzel Inh. Karl Pritzel" ins Handelsregister eingetragen. Die Firma beschäftigte sich aber weiterhin auch mit den Pferdewagen, zumindest mit deren Reparatur.
Die Bemühungen, die Firma auch in der Handwerkerrolle (Stellmacher) eintragen zu lassen, scheiterte im Jahre 1943 am Widerspruch der "Stellmacher - (Wagner) und Karosseriebauer-Innung Küstrin". Die Innung vertrat die Meinung, mit 3 leistungsfähigen Stellmachern gäbe es derer genug in der Stadt, außerdem sei die Firma nur ein "Einmannbetrieb", der dort beschäftigte Lehrling könne auch dem Stellmacher Raasch zugewiesen werden. Die Argumentation von Karl Pritzel, viele Gutsbesitzer und Landwirte aus den umliegenden Ortschaften und Kreisen, die einst ihre Kutschen bei Pritzel gekauft hatten, seien auf die Leistungen der Firma angewiesen, wenn deren Kutsch- bzw. Wirtschaftswagen repariert werden müssten, liess man nicht gelten, die Stellmacherei Raasch könne die Reparaturen genauso gut ausführen. Außerdem hätten viele landwirtschaftliche Betriebe eigene Schmieden oder Stellmachereien, führte die Innung an.
Was versprach sich Karl Pritzel aber von der Eintragung in die Handwerkerrolle bzw. von der Mitgliedschaft in der Innung? Der wahrscheinliche Grund wird am Ende des Schreibens der Innung angegeben: Als Vollmitglied hätte er Anspruch auf eine Zuteilung eines Kontingents Eisen auf Eisenmarken - die Höhe dieses Kontingents für Vollmitglieder wird aber nicht genannt. Als Gastmitglied der Innung hätten ihm 25kg/Quartal zugestanden, aber auch diese Gastmitgliedschaft wurde ihm verwehrt. In der Innung meinte man auch, bei Reparaturen, die er in seiner Werkstatt an Kutschwagen ausführen wolle, könne er immer die entsprechenden Eisenmarken von den am Wohnort des Kunden sesshaften Schmieden / Stellmachern anfordern, um das Material für die Reparatur beziehen zu können.
Mit dem Ende des alten Küstrins im Jahre 1945 endet auch die Geschichte dieses Unternehmens.
Quellen:
- Diverse Adress- und Gewerbeadressbücher der Stadt Küstrin
- Schreiben der Firma Pritzel an einen Kunden (Archiv Andy Steinhauf)
- Handelsregister Küstrin
- Historische Werbeanzeigen
- Von der Festungs- und Garnisonstadt Cüstrin zum modernen Industrieort Küstrin. Eine historische Betrachtung (II) - Dr. Rudolf Herbert Tamm, Garbsen, in: Königsberger Kreiskalender 2003